Interview mit der Inkusionsberaterin der IHK Chemnitz

Die IHK Chemnitz – mit etwa 1,5 Millionen Einwohnern und etwa 5.600 Industriebetrieben im Kammerbezirk – bietet seit einigen Jahren eine Inklusionsberatung an, die besonders für klein- und mittelständige Unternehmen interessant ist. Das Thema der Integration am Arbeitsplatz gewinnt immer mehr an Bedeutung, aus diesem Grund ist es wichtig, Unternehmen für das Thema zu sensibilisieren.

Ines Petzold ist Inklusionsberaterin der IHK Chemnitz und steht Unternehmen im Rahmen dieser Beratung zur Verfügung. Eine gezielte Ansprache der Unternehmen ist dabei besonders wichtig. Gemeinsam sollen in der Inklusionsberatung vorhandene Potenziale eingeschätzt und möglicher Bedarf bestimmt werden. Mit einer Bedarfsanalyse lässt sich schnell feststellen, welche Möglichkeiten die Arbeitsumgebung für Menschen mit Behinderung bereits bietet und was nötig ist.

Im gesamten Prozess steht die Inklusionsberatung Unternehmen mit wertvollen Ratschlägen und hilfreichen Kontakten zur Seite. Dies soll Arbeitgeber auf die Beschäftigung von behinderten Menschen vorbereiten und die Inklusion am Arbeitsplatz vereinfachen.

Treppenlift-Ratgeber: Wie unterstützt die IHK Chemnitz bei der Inklusion von Menschen mit Behinderung am Arbeitsplatz und generell in unserer Gesellschaft?

Ines Petzold: Die IHK Chemnitz bietet als eine der ersten Kammern in Sachsen seit Oktober 2013 Beratungsleistungen rund um das Thema Beschäftigung von Menschen mit Behinderung, insbesondere für klein- und mittelständische Unternehmen, an.

Seit Oktober 2015 arbeiten der Kommunale Sozialverband Sachsen (KSV Sachsen) – vertreten durch sein in Chemnitz ansässiges Integrationsamt – und die IHK Chemnitz eng zusammen und haben dieses Beratungsangebot in der Kammer verstetigt.

Aktuell erfüllen private Arbeitgeber ihre Beschäftigungspflicht noch nicht vollständig (4,1%). Die Quote im öffentlichen Dienst liegt derzeit bei 6,6% der Beschäftigten, der Anteil Schwerbehinderter an den Beschäftigten bei 4,7%. Ganze 96% der Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern kennen die staatlichen Fördermöglichkeiten, dagegen nur 62% der klein- und mittelständischen Unternehmen (KMU) mit 20 bis 50 Mitarbeitern. Große Firmen nehmen 92% davon in Anspruch, KMU lediglich 53%.

Angesichts des Fachkräftemangels erkennen auch immer mehr Mittelständler das Potenzial. Hauptschwerpunkte der Inklusionsberatung liegen in der Sensibilisierung der Unternehmen, der Einzelfallberatung, um den bürokratischen Aufwand für die Unternehmen zu senken, und der Öffentlichkeits- und Netzwerkarbeit. Selbstverständlich gehen wir als IHK in der Erfüllung der Beschäftigungsquote auch mit gutem Beispiel voran.

Man darf nicht vergessen, dass rund 80% der Behinderungen während des Arbeitslebens entstehen. Die betroffenen Menschen sind und bleiben deshalb dennoch Fachkräfte und Know-how-Träger. Durch die zunehmende Fachkräfteverknappung rückt das Potenzial von Menschen mit Behinderung jetzt verstärkt in den Fokus. Während der letzten zwei Jahre haben sich das Interesse und der Beratungsbedarf unserer Unternehmen spürbar erhöht. Mit unserer Inklusionsberatung tragen wir als IHK Chemnitz, in Kooperation mit dem Kommunalen Sozialverband Sachsen, diesem Erfordernis Rechnung. Da jeder Fall sehr speziell ist, setzen wir auf eine individuelle und persönliche Beratungsleistung.

Gut zu wissen:

Menschen mit einer Behinderung haben Anrechte auf bestimmte Leistungen wie etwa Zuschüsse zum barrierefreien Umbau.

Zu den Zuschüssen für Menschen mit Behinderung

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Treppenlift-Ratgeber: An wen richtet sich eine Inklusionsberatung? Was ist hier das Ziel?

Ines Petzold: Die Inklusionsberatung richtet sich vorwiegend an klein-und mittelständische Unternehmen im Kammerbezirk Südwestsachsen. Eine gezielte und aktive Ansprache der Unternehmen ist notwendig, um die vorhandenen Potenziale und möglichen Bedarfe zusammenzubringen. Es geht also nicht nur um die Sensibilisierung, sondern auch um eine gezielte Beratung/Einzelfallberatung.

Informationen zu arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen, Förder- und Unterstützungsmöglichkeiten, Einzelfallbegleitungen, Ausbildung und behindertengerechte Gestaltung von Arbeitsumgebung sowie Arbeitsplatz und zunehmend Fragen zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement erfolgen in einer vor Ort Beratung im Unternehmen.

In den nächsten Jahren wird es einen spürbaren Anstieg älterer Menschen im Arbeitsprozess geben, da die jungen Fachkräfte demografisch bedingt einfach nicht zur Verfügung stehen. Unternehmen müssen heute für Fachkräfte attraktiv sein, über das Know-how einer professionellen Personalstrategie verfügen, welche nicht zuletzt die Gesundheit der Mitarbeiter zu einem zentralen Thema macht.

Eine weitere Säule im Portfolio ist die themenbezogene Öffentlichkeitsarbeit. Informationen zu aktuellen Gesetzesänderungen, Arbeitsmarktprogrammen, Investitionsprogrammen bis hin zu best-Practice-Beispielen aus der Region werden in regelmäßigen Abständen auf unserer Homepage (IHK24), in der IHK-Kammerzeitung und in der regionalen Presse veröffentlicht. Selbstverständlich werden auch Anfragen von Privatpersonen nicht abgewiesen.

Treppenlift-Ratgeber: Wie genau kann man sich eine Inklusionsberatung bei Ihnen vorstellen? Können Sie uns einen Eindruck vom Ablauf verschaffen?

Ines Petzold: Bewährt hat sich die direkte Beratung in den Unternehmen, da ich den gesamten Kammerbezirk betreue. Somit kommen wir unseren Geschäftsführern und/oder Personalern schon im ersten Schritt entgegen, denn die zeitlichen Optionen sind in den Firmen begrenzt. Außerdem ist eine Bedarfsanalyse vor Ort sehr sinnvoll, da die Möglichkeiten der behinderungsgerechten Arbeitsumgebung geklärt werden können.

Das Unternehmen erhält zu den angefragten Themen, wenn möglich, immer eine entsprechende Handreichung, Kontakte von Institutionen, Behörden oder Rehabilitationsträgern und, wenn notwendig, Formulare zur Beantragung von Leistungen. Natürlich stehe ich den Unternehmen auch im Beantragungsprozess zur Seite. Wenn es sich um eine Arbeitsplatzsicherung handelt, kann auch der betroffene Arbeitnehmer direkt vor Ort in die Beratung einbezogen werden.

Bewährt hat sich auch die enge interne Zusammenarbeit in der Kammer. Bei Eintragung eines Ausbildungsverhältnisses unter Angabe der Schwerbehinderung des Auszubildenden biete ich von Anfang an eine Beratung bis zum Ausbildungsende an. Hier geht es um Unterstützung in den Berufsschulen, die rechtzeitige Beantragung eines möglichen Nachteilsausgleiches für die Zwischen- und Abschlussprüfung bis hin zur Beratung für die Einholung von entsprechenden Gutachten, wenn gewünscht.

Gut angenommen werden von den Ausbildungsbetrieben Workshops im kleinen Rahmen, als Plattform des Erfahrungsaustausches, wenn eine gleichartige Behinderung (wie zum Beispiel eine Hörschädigung) vorliegt. Hier diskutieren wir mit Experten Möglichkeiten des Umgangs und Unterstützungen für eine erfolgreiche Ausbildung.

Treppenlift-Ratgeber: Wo sehen Sie häufige Probleme bei der Integration von Menschen mit Behinderung in den Arbeitsmarkt? Wo besteht aus Ihrer Sicht aktuell und auch langfristig besonders großer Handlungsbedarf?

Ines Petzold: Viele Unternehmen haben sich bisher nicht mit diesem Thema auseinander setzen müssen. Oft sieht man nur den klassischen Rollstuhlfahrer und hat Angst vor notwendigen Umbauten. Aber auch die Sensibilisierung und Mitnahme der Belegschaft ist für die Geschäftsführung nicht immer einfach. Des Weiteren steht man einem erhöhten zeitlichen Aufwand für die Einarbeitung und ggf. der Betreuung im Arbeitsprozess doch skeptisch gegenüber.

Wichtiger denn je wird es für Unternehmen sein, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen, besonders auch im Bereich des eigenen Fachkräftenachwuchses. Nur wenige Ausbildungsstellen sind auch explizit für Jugendliche mit Handicap ausgeschrieben. Diese trauen sich nur selten eine Bewerbung einzureichen. Aber ein offener Umgang mit einer Behinderung und eventuell ein Einstieg über ein Praktikum kann da sehr hilfreich sein.

Ein Grund für die Unterschiede zwischen den häufig befürchteten Problemen bei der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung und den vielfach gesammelten positiven Erfahrungen der Betriebe liegt darin, dass viele Betriebe die verschiedenen Möglichkeiten und das breit gefächerte Unterstützungs- und Förderangebot zur Beschäftigung von Menschen mit Behinderung nicht ausreichend kennen – das gilt zum Teil selbst für jene, die bereits Erfahrungen mit schwerbehinderten Mitarbeitern gemacht haben. Information und Transparenz sind deshalb wesentliche Voraussetzungen.

Es gilt, die regulären Ausbildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes so für behinderte Menschen zugänglich zu machen, dass sie die gleichen Wahlmöglichkeiten und Perspektiven wie nicht behinderte Menschen haben.

Treppenlift-Ratgeber: Was möchten Sie Unternehmen und Arbeitgebern in Bezug auf Inklusion am Arbeitsplatz mit auf den Weg geben?

Ines Petzold: Besonders klein- und mittelständische Unternehmen können von gelebter Inklusion profitieren. Es gilt insbesondere, die Stärken der Auszubildenden und Arbeitnehmer herauszufinden und vor allem zu nutzen. Die persönlichen Stärken des zukünftigen Mitarbeiters müssen mit den Anforderungen des Unternehmens zusammenpassen – ob mit oder ohne Behinderungen. Menschen mit Behinderungen, die entsprechend ihrer Stärken, Fähigkeiten und Talenten eingesetzt werden, sind wertvolle und oft sehr motivierte Fachkräfte, die den betrieblichen Anforderungen voll und ganz gerecht werden können. Am richtigen Arbeitsplatz eingesetzt und mit Unterstützung der Belegschaft, sind sie ein Gewinn für das Unternehmen.

Inklusion lohnt sich –  für das Unternehmen, für die Menschen mit Behinderungen und zur Sicherung des Fachkräftebedarfs.

Treppenlift-Ratgeber: Herzlichen Dank für das Gespräch!

Ines Petzold

Inklusionsberaterin IHK Chemnitz
Region Chemnitz

Straße der Nationen 25 I 09111 Chemnitz
Tel.:+49 371 6900-1233  I  Fax: .:+49 371 6900-191233 

E-Mail: ines.petzold@chemnitz.ihk.de

Internet: www.ihk.de/chemnitz

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