Experteninterview mit Ellen Engel-Kuhn von der Deutschen Bahn

Ellen Engel-Kuhn ist Leiterin der Kontaktstelle für Behindertenangelegenheiten bei der Deutsche Bahn AG und betreut schon seit Jahren die Angelegenheiten von Menschen mit Handicap bei der Deutschen Bahn.

Der Treppenlift-Ratgeber.de sprach mit der Leiterin der Kontaktstelle für Behindertenangelegenheiten (DB) über ihre Erfahrungswerte in Bezug auf barrierefreies Reisen.

 

Das Interview mit Ellen Engel-Kuhn

Treppenlift-Ratgeber: Die Deutsche Bahn kümmert sich schon seit einiger Zeit um Menschen mit Handicap. Welche Leistungen bieten Sie in dem Bereich?

Frau Engel-Kuhn: Für die Deutsche Bahn (DB) gewinnt die Herstellung von Barrierefreiheit zunehmend an Bedeutung. Menschen mit Mobilitätseinschränkungen stellen eine wichtige Kundengruppe dar, insbesondere auch vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung.

Ziel ist die konsequente Umsetzung von Maßnahmen der Barrierefreiheit sowohl bei Zügen und Bussen im Fern- und Nahverkehr als auch in Bahnhöfen und Reisezentren, die in sog. Programmen festgeschrieben werden.

Seit Jahren arbeiten wir daran, unsere Angebote für mobilitätseingeschränkte Reisende zu verbessern und auszubauen. Bereits heute gibt es umfangreiche Serviceleistungen, etwa die Mobilitätsservice-Zentrale (MSZ). Hier finden mobilitätseingeschränkte Menschen kompetente Ansprechpartner, die bei der Reiseplanung und -buchung unterstützen. Die Mitarbeiter der MSZ organisieren auch die notwendigen Hilfestellungen beim Ein-, Um- und Aussteigen auf der Reise.

Im partnerschaftlichen und konstruktiven Dialog mit Betroffenen werden wichtige Detailfragen der anstehenden Umsetzungsmaßnahmen in den Bereichen Infrastruktur, Fahrzeuge, Information und Service vorgestellt und erörtert. Damit bringen mobilitätseingeschränkte Menschen ihre Kompetenz ein und die zu ergreifenden Maßnahmen können an deren spezifischen Bedürfnissen ausgerichtet werden.

Treppenlift-Ratgeber: Was macht den Job als „Leiterin Kontaktstelle für Behindertenangelegenheiten“ für Sie so spannend?

Frau Engel-Kuhn: Die große Themenvielfalt im Bereich Barrierefreiheit sowie der Kontakt zu den vielen Akteuren, die mitarbeiten, und vor allem natürlich der Dialog und Austausch mit der Zielgruppe.

Treppenlift-Ratgeber: Mit welchen Anfragen werden Sie am häufigsten konfrontiert – bzw. wo besteht der größte Beratungs- / Klärungsbedarf?

Frau Engel-Kuhn: Das lässt sich so pauschal nicht sagen, die Anfragen sind vielfältiger Natur und zudem sehr individuell. Am wichtigsten ist es, bei mobilitätseingeschränkten Menschen Vertrauen zu schaffen, dass der Verkehrsträger Bahn zum Ziel hat, ihren spezifischen Bedürfnissen sukzessive gerecht zu werden.

Tipps von Ellen Engel-Kuhn:

  • Ansprechpartner für Fragen zum barrierefreien Reisen ist die Mobilitätsservice-Zentrale (MSZ) der Deutschen Bahn.
  • Die MSZ bietet Hilfe bei der Reiseplanung- und buchung, sowie beim Ein-, Um- und Aussteigen.
  • Die Voranmeldung der Fahrt sollte bis 20 Uhr des Vortages bei der MSZ erfolgen.
  • Die MSZ ist über die Rufnummer 01806-512 512 erreichbar.
  • Eine Anmeldung für Umstiegshilfen kann auch über die Website der Deutschen Bahn erfolgen.
  • Die Sitzplatzreservierung ist für schwerbehinderte Reisende kostenlos.
  • Für Senioren und schwerbehinderte Menschen gibt es Vergünstigungen.

Treppenlift-Ratgeber: Gibt es Ihrer Meinung nach noch viel Optimierungspotenzial in Deutschland oder sind wir bereits auf dem Vormarsch was barrierefreies Denken betrifft?

Frau Engel-Kuhn: Die gesetzlichen Rahmenbedingungen weisen auf die Notwendigkeit einer gleichberechtigten Teilhabe hin und fordern diese ein. Auch gibt es in Deutschland bereits viele positive Beispiele für die Umsetzung von Barrierefreiheit, dennoch ist das Bewusstsein, gerade im Hinblick auf den demografischen Wandel und auf die Realisierung einer inklusiven Gesellschaft, bei den meisten Menschen noch nicht vorhanden.

Treppenlift-Ratgeber: Was sollte bei der barrierefreien Reiseplanung beachtet werden?

Frau Engel-Kuhn: Wir empfehlen mobilitätseingeschränkten Reisenden bei der Planung ihrer Reise die Nutzung unseres Serviceangebotes der Mobilitätsservice-Zentrale (MSZ).

Um mobilitätseingeschränkten Reisenden die Reiseplanung zu erleichtern und ihnen die Reise so angenehm wie möglich zu gestalten, hat die Deutsche Bahn bereits 1999 die MSZ eingerichtet. Diese bietet über die Organisation personalgestützter  Ein-, Um- und Ausstiegshilfen hinaus auch eine Reiseauskunft, die sich speziell an den Bedürfnissen behinderter Menschen orientiert.

Dazu zählt beispielsweise die Auswahl von Direktverbindungen möglichst ohne Umsteigen sowie die Sitzplatzreservierung mit gezielter Buchung individuell geeigneter Plätze und die Zusendung bestellter Fahrkarten direkt ins Haus.

Damit ist die MSZ ein wichtiger Servicebaustein der DB speziell für mobilitätseingeschränkte Reisende. Durch die Inanspruchnahme des Serviceangebotes bis einen Werktag vor Reiseantritt erhalten Menschen mit Behinderung eine optimale und auf ihre individuellen Bedürfnisse ausgerichtete Beratung. Am Reisetag wird durch eine zentrale Koordination aller entlang der Reisekette zur Verfügung stehenden Services und Hilfeleistungen eine best-mögliche Unterstützung für ein sicheres und entspanntes (im Sinne von „geborgenes“) Reisen hergestellt. Voraussetzung für die Hilfeleistungen ist die Voranmeldung der Fahrt bei der MSZ bis 20 Uhr des Vortages.

Die MSZ ist unter der bundesweit einheitlichen Rufnummer 01806-512 512 (20 ct/Anruf aus dem Festnetz/Mobilfunk max. 60 ct/Anruf)  täglich von 06:00 – 22:00 Uhr erreichbar. Über das Internet unter www.bahn.de/barrierefrei ist ebenfalls die Anmeldung von Ein-, Um- und Ausstiegshilfen möglich.

Darüber hinaus liefert die Broschüre „Mobil mit Handicap – Angebote und Services für mobilitätseingeschränkte Reisende“ wertvolle Tipps rund um das Reisen mit der Bahn. Die Broschüre ist online auf bahn.de und im DB Reisezentrum erhältlich.

Treppenlift-Ratgeber: Warum würden Sie Senioren oder Menschen mit Handicap gerade zur Reise mit der Bahn raten?

Frau Engel-Kuhn: Die Bahn ist nicht nur nach wie vor eines der sichersten Verkehrsmittel, sie bietet auch sehr viel Reisekomfort. Somit wird Reisezeit zur „Nutz-Zeit“ und lässt jeden entspannt und ausgeruht am Zielort ankommen.

Treppenlift-Ratgeber: Haben Sie drei Empfehlungen für besonders gute barrierefreie Urlaubsziele? Und warum genau diese?

Frau Engel-Kuhn: Hier habe ich gleich mehr als drei gute Empfehlungen. Neben der Barrierefreiheit der Bahnreise steht seit einigen Jahren auch die Barrierefreiheit des Reiseziels im Fokus der DB. Durch den Aufbau strategischer Allianzen im Bereich Tourismus haben wir interessante Komplettangebote für mobilitätseingeschränkte Menschen in attraktiven touristischen Regionen geschaffen.

Bereits seit März 2011 besteht eine Kooperation der Deutschen Bahn mit der Arbeitsgemeinschaft „Barrierefreie Reiseziele in Deutschland“ und seit März diesen Jahres auch erstmals grenzüberschreitend mit dem Projekt „BARRIEREFREI Austria“.

Gemeinsam mit den touristischen Partnern haben wir Mobilitätspakete entwickelt, die sowohl die An- und Abreise mit möglicher Ein-, Um- und Ausstiegshilfe, die Anschlussmobilität am Urlaubsort und die Übernachtung, als auch ein mögliches Ausflugs- und Kulturprogramm beinhalten. Die Reiseangebote richten sich vorzugsweise an Rollstuhlfahrer sowie seh- und hörbehinderte Personen, aber auch an ältere Menschen sowie Familien mit kleinen Kindern.

Treppenlift-Ratgeber: Gibt es Förderungsmöglichkeiten, Zuschüsse oder besondere Vergünstigungen für reisende Senioren und Menschen mit Einschränkungen?

Frau Engel-Kuhn: Mit der Aufhebung des Streckenverzeichnisses im September 2011 wurde die unentgeltliche Beförderung schwerbehinderter Menschen im öffentlichen Personenverkehr wesentlich erweitert. Seither können alle Nahverkehrszüge der Deutschen Bahn bundesweit ohne zusätzliche Fahrkarte mit dem grün-orangen Schwerbehindertenausweis und dem Beiblatt mit gültiger Wertmarke genutzt werden.

Die Regelungen für Begleitpersonen, für die Mitnahme eines Hundes und für kostenfreie Sitzplatzreservierungen sind unverändert, ebenso das unentgeltliche Reisen innerhalb von Verkehrsverbünden.

Zum anderen gibt es viele Angebote der Deutschen Bahn, die gerade für die Zielgruppe der Senioren und schwerbehinderte Menschen besondere Vergünstigungen bieten, wie z. B. die BahnCard 25 und BahnCard 50 mit Ermäßigung:

Bahnfahren wird damit für Personen ab 60 Jahren und schwerbehinderte Menschen (ab GdB 70) mit einer BahnCard günstiger. Preisbewusste Gelegenheitsfahrer profitieren vom Kauf der ermäßigten BahnCard 25 für 41 Euro statt 62 Euro (2. Klasse) bzw. für 81 Euro anstatt 125 Euro (1. Klasse). Für Vielfahrer lohnt sich die BahnCard 50 zum ermäßigten Preis von 127 Euro (2. Klasse) bzw. 252 Euro (1. Klasse).

Treppenlift-Ratgeber: Frau Engel-Kuhn, vielen Dank für das interessante Interview!

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