Experteninterview mit Yvo Escales, Dipl. Betriebswirt im Bereich Touristik

Yvo Escales ist Diplom-Betriebswirt im Bereich Touristik und Herausgeber von Fachliteratur zum Thema "Reisen für Menschen mit Behinderung", sowie der Zeitschrift "Rollstuhl-Kurier". Seit 2012 veranstaltet Yvo Escales die IRMA (Reha-Messe in Bremen), mit dem Schwerpunktthema "Mobilität und Reisen".

Der Treppenlift-Ratgeber.de sprach mit dem Diplom-Betriebswirt (Touristik) über seine Erfahrungen rund um barrierefreies Reisen.

Das Interview mit Yvo Escales

Treppenlift-Ratgeber: Der Escales-Verlag hat sich auf die Bedürfnisse mobilitätseingeschränkter Menschen spezialisiert. Was macht dieses Thema für Sie besonders spannend?

Herr Escales: Die Arbeit für und mit diesen Menschen ist unglaublich abwechslungsreich, es wird selbst nach über 30 Jahren (seit meinem Zivildienst) nie zur langweiligen Routine, man lernt täglich dazu und kann versuchen, im Interesse behinderter Menschen ein wenig die Welt zu verbessern.

Treppenlift-Ratgeber: Wie können Ihre Publikationen Menschen mit Behinderung bei der Urlaubsorganisation unterstützen?

Herr Escales: In dem Ratgeber "Handicapped-Reisen", den ich seit 31 Jahren verlege,  finden Betroffene sehr rollstuhlgeeignete Ferienunterkünfte ganz überwiegend in Deutschland, einige im Ausland. Die meisten kenne ich persönlich und Rollstuhlfahrer können sich auf die Angaben verlassen. In der Zeitschrift "Rollstuhl-Kurier" veröffentlichen wir Reiseberichte, wo es dann ganz detailliert zur Sache geht und alles akribisch genau für Rollstuhlfahrer und mobilitätsbehinderte Reisende beschrieben wird, also nicht nur die Hotels, sondern auch die barrierefrei zugänglichen Sehenswürdigkeiten, Strände, Fahrdienste usw..

Treppenlift-Ratgeber: Mit welchen Anfragen in Bezug auf barrierefreies Reisen werden Sie am häufigsten konfrontiert – bzw. wo besteht der größte Beratungs- / Klärungsbedarf?

Herr Escales: Zum Beispiel, welche Hotels auch höhenverstellbare Betten oder Pflegebetten haben, oder wer rollstuhlgerechte Gruppenreisen anbietet, ob es einen Pflegedienst gibt, der ins Hotel kommt, wie kommt man von zuhause zum Bahnhof oder Flughafen, gibt es Zuschüsse bei Pflegebedarf im Urlaub, wer bietet betreute Reisen an, bei denen es rollstuhlgerechte Ausflugsprogramme gibt (mit rollstuhlgerechten Toiletten unterwegs), bei welchen Anbietern kann man sich auf die Angaben "behindertengerecht" wirklich verlassen.

Treppenlift-Ratgeber: Gibt es Ihrer Meinung nach noch viel Optimierungspotenzial in Deutschland oder sind wir bereits auf dem Vormarsch was barrierefreies Denken betrifft?

Herr Escales: Die Hotels und Beherbergungsbetriebe in Deutschland, die rollstuhlgerechte Zimmer und Badezimmer haben, sind überwiegend sehr gut. Da hat sich in den vergangenen 30 Jahren, als die Diskussion um "Behindertengerechtes Reisen" erstmals so richtig aufkam, wirklich sehr viel getan.

Eine einheitliche und vor allem zuverlässige einheitliche Kennzeichnung in Deutschland von "Barrierefreien Beherbergungsbetrieben" (die Bezeichnung "Rollstuhlgeeignete Hotels und Unterkünfte" von früher fand ich besser) gibt es auch nach über 30 Jahren Diskussion noch immer nicht. Ein neuer Versuch ist vorhanden, aber jedes Bundesland scheint das immer noch unterschiedlich auszulegen.

Ansonsten verschwinden immer mehr die Blockaden in den Köpfen von nichtbehinderten Menschen und die Aufgeschlossenheit gegenüber Menschen mit Behinderung ist spürbar gewachsen –  nicht nur in der Tourismusbranche. Gut so.

Aber bei Restaurants sind Rolli-WCs sehr selten anzutreffen. Unsere Gesetzgebung ist zu lasch. Auch bei öffentlichen Gebäuden besteht noch viel Nachholbedarf. Stellen Sie sich mal vor, da wurden die Deichtorhallen in Hamburg gerade für 17 Millionen Euro saniert, die Architekten lassen sich feiern und das Objekt hat keine einzige rolligerechte Toilette. Angeblich, weil zu teuer und weil die WC-Anlagen eh im Keller sind.

Behinderte werden also von Kunst und Kultur ausgegrenzt, ein Skandal, eine echte Diskriminierung. Ich bin sicher, das hätte man für maximal 100.000 Euro hinbekommen (Senkrechtlift oder Treppenlift, ein bisschen Türverbreiterung...).

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Tobias Bonk, seit 5 Jahren Treppenlift-Berater bei unserem Partner, der Wokon GmbH**

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Tipps von Yvo Escales:

  • Von Pflegekassen können Sie bis zu 1.600,- Euro pro Reise als Zuschuss erhalten.
  • Krankenkassen und Berufsgenossenschaften können auch finanziell unterstützen.
  • Bei wenig Erfahrung mit barrierefreien Reisen sollte man ein halbes Jahr im Voraus anfangen zu planen.
  • Fachliteratur und Kataloge von Spezialveranstaltern bieten weitere Tipps und Reiseangebote.
  • Oft haben herkömmliche Reisebüros wenig Erfahrung mit barrierefreien Reisen.

Treppenlift-Ratgeber: Worauf sollte man bei der barrierefreien Reiseplanung bereits im Voraus achten, um Komplikationen möglichst zu vermeiden? Und wann fängt man am besten mit der Reiseplanung an?

Herr Escales: Wer keine oder wenig Reiseerfahrung hat, sollte ein halbes bis ein Jahr im Voraus planen, sich mit Fachliteratur und Katalogen von Spezialveranstaltern eindecken, Freunde und Bekannte, die selbst ein Handicap haben, nach ihren Erfahrungen fragen.

Herkömmliche Reisebüros haben leider nur wenig Ahnung von barrierefreien Reiseangeboten, also besser bei Spezialisten um Rat fragen.

Wer nicht so fit und flexibel ist, sollte darauf achten, dass das Urlaubshotel tatsächlich den persönlichen Ansprüchen (z.B. passende Bettenhöhe, rollstuhlgerechtes Bad mit schwellenloser Dusche, Haltegriffen usw.)  gerecht wird.

Treppenlift-Ratgeber: Zu welcher Reiseform (Bahn, Bus, Auto, Flugzeug …) würden Sie Senioren oder Menschen mit Handicap raten? Und warum?

Herr Escales: Das Auto ist als Reiseverkehrsmittel für Reisen innerhalb Deutschlands und ins angrenzende Ausland (z.B. Österreich, Italien, Frankreich, Schweiz) ideal, weil man vor Ort beweglich ist, unabhängig auf eigene Faust die Gegend erkunden und seine persönlichen Hilfsmittel mitnehmen kann.

Bei Fernreisen funktioniert die Kombination Bahn- und Flugreise bei guter Vorbereitung sehr gut. Der Mobilitätsservice der Bahn klappt einigermaßen zuverlässig und der Service der Flughäfen und Fluggesellschaften für Menschen mit Behinderung ist inzwischen weltweit hervorragend.

Es ist heute wirklich kein Problem, mit der Bahn zum Flughafen und weiter mit dem Flugzeug z.B. nach Mallorca, Teneriffa oder Lanzarote zu einem rollstuhlgerechten Hotel zu reisen. Wer darin Übung hat, kann sich die einzelnen Leistungen selbst im Internet buchen, wer auf Nummer sicher gehen will, sollte das lieber über einen Spezialveranstalter buchen.  

Treppenlift-Ratgeber: Haben Sie drei Empfehlungen für besonders gute, barrierefreie Urlaubsziele? Und warum genau diese?

Herr Escales: Erstens das Hotel Mar y Sol auf Teneriffa, weil es nach meiner Erfahrung das beste behindertengerechte Hotel weltweit ist (alle Hilfsmittel verfügbar, nahezu alle Zimmer und Appartements absolut rollstuhlgerecht, ebenso über Hilfsmittel für Hörgeschädigte und Blinde verfügt, eine Sporthalle und ein Sportprogramm auch für behinderte Kinder und Jugendliche bietet usw.).

Zweitens die Insel Lanzarote, weil es dort mehrere sehr gute rollstuhlgerechte Hotels und Ferienappartements gibt, einen hervorragenden deutschen Pflege- und Hilfsmitteldienst und einige Behindertenfahrdienste mit sehr schönen Ausflugsprogrammen.

Drittens die begleiteten Kreuzfahrten mit Accamino Reisen, weil hier rollstuhlgerechte Landausflüge mit angeboten werden, die die Reedereien selbst nicht organisieren können.

Treppenlift-Ratgeber: Gibt es Förderungsmöglichkeiten, Zuschüsse oder besondere Vergünstigungen für reisende Senioren und Menschen mit Einschränkungen?

Herr Escales: Je nach Grad der Behinderung kann es von der Pflegekasse über die Verhinderungspflege einen Zuschuss in Höhe von bis zu ca. 1.600,- Euro pro Reise geben. Weitere Zuschüsse gibt es, je nach Einzelfall, von der Krankenkasse oder anderen Kostenträgern.

Berufsgenossenschaften zahlen (ebenfalls vom Einzelfall abhängig) eine Zuschuss von 25 Euro pro Tag, in besonderen Fällen auch mehr. Man sollte sich unbedingt rechtzeitig vorher bei seinen Kostenträgern informieren, denn viele wissen gar nicht, dass sie Anspruch auf solche Zuschüsse haben.

Zitat Yvo Escales:

„Wer keine oder wenig Reiseerfahrung hat, sollte ein halbes bis ein Jahr im Voraus planen, sich mit Fachliteratur und Katalogen von Spezialveranstaltern eindecken, Freunde und Bekannte, die selbst ein Handicap haben, nach ihren Erfahrungen fragen.“

Treppenlift-Ratgeber: Welche grundlegenden Tipps würden Sie Senioren und Menschen mit Handicap bei der Reiseplanung gerne mit auf den Weg geben?

Herr Escales: Sie sollten sich eine Checkliste machen, was ihnen am Urlaubsort besonders wichtig ist und welche Kriterien das Feriendomizil erfüllen muss. Vorher bei der Unterkunft anfragen, ob die benötigten Hilfsmittel vorhanden sind (z.B. Toilettensitzerhöhung, Duschstuhl, Pflegebett) oder über ein örtliches Sanitätshaus bestellt werden können.

Wenn sie wenig Reiseerfahrung haben und sich mit ihrer Behinderung eine Fernreise noch nicht zutrauen, sollten sie mit einem Urlaub in einem guten barrierefreien Hotel oder einer geeigneten Ferienwohnung in Deutschland beginnen.

Wer nicht mit dem eigenen Pkw anreist, sollte rechtzeitig vor dem Urlaub die Anreise planen. Freunde oder  Bekannte fragen, ob sie einen zum Bahnhof bringen oder einen Fahrdienst beauftragen. Bei Fernreisen ist es wichtig, rechtzeitig eine Liste der notwendigen Medikamente zusammenzustellen, denn diese können im Ausland sehr teuer sein. 

Treppenlift-Ratgeber: Herr Escales, vielen Dank für das interessante Interview!

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