Experteninterview mit Holger Kähler, Geschäftsführer des videlis Seniorenreisen e.V.

Holger Kähler ist Geschäftsführer des videlis Seniorenreisen e.V. und engagiert sich bereits viele Jahre auf dem Gebiet barrierefreies Reisen.

Das Interview mit Holger Kähler

Der Treppenlift-Ratgeber.de sprach mit dem Experten über seine Erfahrungswerte in Bezug auf barrierefreien Tourismus.

Treppenlift-Ratgeber: videlis Seniorenreisen e.V. organisiert Reisen für Senioren und für Menschen mit eingeschränkter Mobilität. Durch was zeichnen sich Ihre Reiseangebote aus?

Herr Holger Kähler: Schon seit der Gründung eines gemeinnützigen Vereins vor 25 Jahren achten wir besonders darauf, dass auch Menschen mit körperlichen Einschränkungen an unseren betreuten Reisen teilnehmen können.

Seit ein paar Jahren bin ich selbst gehbehindert und kann so unsere Hotels und Ausflugsziele persönlich testen, inwieweit diese unseren Anforderungen entsprechen. Sollten dennoch kleine Barrieren im Weg sein, so sind unsere ehrenamtlichen Reisebetreuer, die von der Haustür an die ganze Reise begleiten, stets zur Seite, um diese Hindernisse zu beseitigen.

Gerade diese ehrenamtlichen Kräfte, die sich hochmotiviert und engagiert um die Urlaubsfreude der Gäste kümmern, sind - neben optimaler Vorbereitung der Reisen - unsere größte Stärke.

Treppenlift-Ratgeber: Was hat Sie dazu veranlasst, sich auf diese besondere Art von  Reiseangeboten zu spezialisieren?

Herr Holger Kähler: Die Idee entstand im Zivildienst, als ich gemeinsam mit zwei Freunden bemerkte, dass bei vielen älteren Menschen der Wunsch nach Abwechslung vom grauen Alltag groß ist, jedoch durch Alter und Krankheit – und damit verbundene Mobilitätseinschränkungen – von vielen Senioren eine Reise als zu beschwerlich angesehen wird.

Wir haben deswegen die Reisebetreuer eingeführt, die unseren älteren Gästen während der gesamten Reise die benötigte Hilfe zukommen lassen und so auch Menschen mit Handicap Urlaubsträume verwirklichen helfen.

Treppenlift-Ratgeber: Mit welchen Anfragen in Bezug auf barrierefreies Reisen werden Sie am häufigsten konfrontiert – bzw. wo besteht der größte Beratungs- / Klärungsbedarf?

Herr Holger Kähler:
Die meisten Anfragen betreffen die Anreise und die Barrierefreiheit der Bäder in den Hotelzimmern. Dadurch, dass wir den Haustürabholservice bieten, können wir eine barrierefreie Anreise garantieren. Durch Hotelbesuche im Vorfeld sind wir über die baulichen Gegebenheiten gut informiert und können unseren Gästen im Vorfeld genau mitteilen, wie die Situation ist. Des Weiteren betreffen einige Anfragen pflegerischen Bedarf. Auch hier finden wir in der Regel eine Lösung.

Zitat Holger Kähler:

"Unverzichtbar ist im Vorfeld das genaue Abklären der Gegebenheiten vor Ort. So kann man notfalls noch von zu Hause Fehlendes organisieren, etwa einen Duschrollstuhl über ein Sanitätshaus anfordern, wenn das Hotel keinen bereitstellen kann.“

Treppenlift-Ratgeber: Gibt es Ihrer Meinung nach noch viel Optimierungspotenzial in Deutschland oder sind wir bereits auf dem Vormarsch, was barrierefreies Denken betrifft?

Herr Holger Kähler: Es hat sich in den letzten Jahren sehr viel getan, doch gibt es in Deutschland noch riesigen Handlungsbedarf. Leider stellen wir selbst bei Neubauten immer wieder fest, dass unnötige Barrieren errichtet werden.

Wir wünschen uns, dass bei Architekten und anderen Verantwortlichen bereits im Vorfeld daran gedacht wird, dass es durch den demografischen Wandel immer mehr Menschen gibt, die barrierefreie Unterkünfte und Freizeitangebote brauchen.

Leider wird zu oft vergessen, dass Orte ohne Barrieren auch beispielsweise Schwangeren und jungen Leuten, die wegen einer Sportverletzung vorübergehend an Krücken gehen, das Leben erleichtern.

Treppenlift-Ratgeber: Was sollte bei der barrierefreien Reiseplanung beachtet werden?

Herr Holger Kähler: Bei der Planung barrierefreier Reisen sollte im Vorfeld genau geprüft werden, ob die einzelnen Teile einer Reise (Anreise, Unterkunft, Ausflüge) den persönlichen Anforderungen entsprechen und welche Hilfe geboten wird.

Auch die Zusammensetzung der Reisegruppe spielt eine Rolle, wenn etwa Gehbehinderte bei einer Stadtführung mit dem Tempo der Stadtführerin nicht mithalten können. Beachtet werden sollte auch, welche Leistungen im Reisepreis eingeschlossen sind und für welche gewünschten Extras Zusatzkosten anfallen.

Außerdem sollte wegen der persönlichen körperlichen Situation auch das Wetter am Zielort bedacht werden. Bei diesen Fragen ist die Hilfe eines versierten Reiseorganisators sinnvoll. Ein guter Reiseanbieter wird die persönliche Situation ausführlich durchsprechen und mit den Gegebenheiten vor Ort abklären.

Treppenlift-Ratgeber: Welche Dinge müssen bereits im Vorfeld geklärt werden, damit bei der behindertengerechten Reise keine Komplikationen entstehen – und wann fängt man am besten mit der Planung an?

Tipps von Holger Kähler:

  • Der meiste Klärungsbedarf für eine behindertengerechte Reise besteht bei der Barrierefreiheit von Hotelzimmern und Bädern.
  • Bei Reisen in einer Gruppe sollte auf Gehbehinderte Rücksicht genommen werden, gerade bei Stadtführungen.
  • Ein guter Reiseanbieter wird die persönliche Situation ausführlich durchsprechen und vorab nach passenden Lösungen suchen.
  • Versprechungen des Leistungsträgers zu Ihren Wünschen sollten vor Reiseantritt schriftlich fixiert werden.
  • Auch die Versorgung mit Medikamenten sollte bedacht werden, auch in Bezug auf Zollvorschriften.

Herr Holger Kähler: Unverzichtbar ist im Vorfeld das genaue Abklären der Gegebenheiten vor Ort. So kann man notfalls noch von zu Hause Fehlendes organisieren, etwa einen Duschrollstuhl über ein Sanitätshaus anfordern, wenn das Hotel keinen bereitstellen kann.

Wichtig ist für Viele sicher auch die Versorgung mit Medikamenten, eventuell müssen eine durchgehende Kühlung organisiert oder Zollvorschriften geklärt werden. Es ist heutzutage nicht mehr das Problem, besondere Dinge zu organisieren.

Doch wird dafür ausreichend Zeit benötigt, vor allem bei Reisen ins Ausland. Früh mit den Vorbereitungen zu beginnen, ist also sinnvoll. Je früher mit den Vorbereitungen begonnen wird, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, etwa ein barrierefreies Hotelzimmer zu erhalten.

Außerdem sind viele touristische Leistungen günstiger, je eher sie gebucht werden. Es ist also durchaus ratsam, schon mehr als ein halbes Jahr vor dem Urlaub mit den Planungen zu beginnen.

Treppenlift-Ratgeber: Warum würden Sie Senioren oder Menschen mit Handicap zu einem Urlaub mit „videlis Seniorenreisen e.V.“ raten?

Herr Holger Kähler: Seit fast 25 Jahren kennen wir die Bedürfnisse von Menschen mit körperlichen Einschränkungen sehr genau. Da wir kein kommerzieller Anbieter sind, der Renditen erzielen und Investoren zufriedenstellen muss, ist die gesamte Motivation unseres Teams, unseren Gästen einen sorgenfreien Urlaub zu organisieren, der auf die ganz persönlichen, individuellen Belange größtmögliche Rücksicht nimmt. Neben guter Vorbereitung spüren unsere Gäste im Urlaub, mit wie viel Herzblut und Engagement unsere Reisebetreuer dabei sind. Da diese kein Honorar erhalten, ist ihre Motivation die schönste, die man sich wohl vorstellen kann: Anderen eine Freude zu bereiten.

Treppenlift-Ratgeber: Haben Sie drei Empfehlungen für besonders gute, barrierefreie Urlaubsziele? Und warum genau diese?

Herr Holger Kähler: Ein gutes, weitgehend barrierefreies Urlaubsziel ist Oberstdorf im Allgäu. Viele Gastgeber und Attraktionen vor Ort haben sich auf diese Urlauber eingestellt. So kann man zum Beispiel problemlos im Rollstuhl mit der Bergbahn bis auf das 2224 Meter hohe Nebelhorn fahren und den phantastischen Rundum-Blick genießen. Eine Destination, die sich sehr gut auf barrierefreien Tourismus eingestellt hat, ist Teneriffa. Die kilometerlange Promenade ist weitgehend barrierefrei ausgebaut, es gibt eine hohe Anzahl an Behindertenparkplätzen und wer lieber organisierte Ausflüge genießen möchte, findet spezialisierte Anbieter. Mit etwas Mühe findet man auch eine barrierefreie Unterkunft, die den eigenen Anspruch erfüllt. Eine ganz neue Empfehlung ist das Ferienhotel Bodensee in Berlingen/Schweiz. Das Hotel, das von einer Stiftung getragen wird, ist das erste Schweizer Hotel, das sich vollkommen auf die Bedürfnisse dieser Zielgruppe eingestellt hat. Viele Ausflugsziele in der Umgebung sind barrierefrei und die wunderschöne Landschaft hilft auch Urlaubern mit Rollstuhl, die Seele baumeln zu lassen.

Treppenlift-Ratgeber: Welche grundlegenden Tipps würden Sie Senioren und Menschen mit Handicap bei der Reiseplanung gerne mit auf den Weg geben?

Herr Holger Kähler: Zunächst sollte man sich darüber klar werden, was für einen Urlaub man erleben möchte und was in der persönlichen Situation möglich ist. Dann sollte man sich einen verlässlichen, erfahrenen Partner suchen, der hilft, die persönlichen Urlaubsträume wahr werden zu lassen. Da leider oft mehr versprochen als gehalten wird, empfehle ich, sich die Dinge, die für den Gast unbedingt wichtig sind, schon im Vorfeld schriftlich bestätigen zu lassen. Mit guter Vorbereitung wird so auch ein Urlauber mit körperlichen Einschränkungen seinen Urlaub genießen können.

Treppenlift-Ratgeber: Herr Kähler, vielen Dank für das interessante Interview!

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